Donnerstag, 28. April 2016

Pici:Erinnerungen an die Ghettos Carei und Satu Mare und die Konzentrationslager Auschwitz, Walldorf und Ravensbrück (Nahaufnahmen) von Robert Scheer

Klappentext
2014 reist der wahldeutsche Autor Robert Scheer nach Israel, um dort seine Großmutter Elisabeth Scheer, genannt Pici, über ihre Kindheit und Jugend zu befragen. Pici feiert in dem Jahr ihren 90. Geburtstag. Ihrem Enkel gegenüber gibt Pici Auskunft, wie sich in den 1940er Jahren durch den Nationalsozialismus die Lage für die jüdische Bevölkerung in Ungarn verschlechterte. Sie berichtet über ihre furchtbaren Erlebnisse in den Ghettos Carei und Satu Mare, im Konzentrationslager Auschwitz, im berüchtigten Außenlager Walldorf, im Konzentrationslager Ravensbrück und im mecklenburgischen Rechlin, bis sie 1945 im mecklenburgischen Malchow befreit wurde. Pici`s Eltern, ihre Schwestern, ihr Bruder, ihr Schwager und ihre kleine Nichte wurden im Holocaust ermordet. Pici`s detailreichen Erinnerungen machen es den Leserinnen und Lesern leicht, sich das Leben in der damaligen Zeit vorzustellen, in der es Alltag und Familie gab, später dann Unmenschlichkeit und Vernichtung und nur vereinzelt auch Mitgefühl und Solidarität. Pici stirbt 2015 mit 91 Jahren.

» … jetzt, zurückdenkend, gab es in meinem Leben reichlich erschütternde Momente, aber irgendwie fand ich immer einen kleinen Schutz, einen Strohhalm, womit ich aus der Grube heraussteigen konnte, um weiter zu schreiten und um zu hoffen.«

In diesem Buch hat der Autor Robert Scheer die Erinnerungen und Erlebnisse seiner 90jährigen Großmutter Elisabeth Scheer, genannt Pici „die Kleine“, aufgearbeitet, die heute kaum noch vorstellbar sind. Pici erzählt ihrem Enkel vom Leben ihrer großen jüdischen Familie, von ihrer Kindheit in Ungarn. Die Familie hatte ein gutes Leben bis sich ihre Lage 1940 durch den Nationalsozialismus dramatisch verschlechtert. Zuerst darf niemand mehr mit den Juden Geschäfte machen, der Holzhandel von Picis Vater kommt zum Erliegen, das Geld wird knapp. Schließlich dann die Zwangsumsiedlung, zuerst in das Ghetto Carai, dann Satu Mare. Schon dort muss Pici und ihre Familie Schreckliches durchmachen, das Zusammenleben mit Menschen auf engstem Raum, der Hunger als ständiger Begleiter, man kann nur erahnen, was den Menschen zu dieser Zeit abverlangt wurde. Dann die Deportationen in die Konzentrationslager. Pici musste unvorstellbares Grauen und Leid ertragen, ihre beklemmenden Berichte hierüber haben mich tief erschüttert und bewegt. Die Bilder, die im Anhang zu sehen sind, haben diese Gefühle noch verstärkt, Bilder der Familie, von den Lagern und Deportationslisten machen deutlich, dass dieses Grauen wirklich passiert ist. Immer wieder unfassbar! Ehrlich gesagt fehlen mir auch ein wenig die Worte für diese Rezension. Am Besten man liest selbst, was diese Frau erlebt hat.

Robert Scheer erinnert liebevoll an eine kleine große Frau, die ihre gesamte Familie in den Konzentrationslagern verloren hat und es dennoch geschafft hat zu überleben. Ich bewundere vor allem, dass Elisabeth Scheer nach all ihren furchtbaren und traumatischen Erlebnissen noch so viel Liebe und Hoffnung in sich trug. Diese Liebe, vor allem zu ihrem Enkel, kann man deutlich zwischen den Zeilen herauslesen. Wahrlich eine starke und bewundernswerte Frau.

Mögen uns solche Bücher und Schicksale immer eine Mahnung daran sein, dass diese Gräueltaten nie in Vergessenheit geraten. Ein wirklich lesenswertes Buch!


Das Buch kann hier bestellt werden:
http://www.marta-press.de/cms/verlagsprogramm-sachbuch/robertscheer-pici

Verlag: Marta Press (März 2016)
Taschenbuch, 228 Seiten, 33 Abbildungen
ISBN: 978-3-944442-40-2


Mittwoch, 27. April 2016

Die verborgene Schwester von Cordula Hamann



Klappentext:

Wie weit gehst du, um deine heile Welt zu verteidigen?
Marie ist ein Babyklappen-Kind. Eine Wolldecke, ein kurzer Brief ihrer Mutter - aber keine Erklärung, mit der sie etwas anfangen könnte. Bis sich die wenigen Hinweise ihrer Herkunft eines Tages zu einer Spur verdichten. Marie setzt alles aufs Spiel, stiehlt heimlich das Material für einen Gentest. Und was sie erfährt, erschüttert sie mächtig: Ihre leiblichen Eltern leben glücklich und zufrieden - mit einer anderen Tochter. Marie lernt ihre Familie kennen, will ehrlich sein und einen Neuanfang wagen. Doch sie ahnt nicht, dass sie mit der trauten Einheit dieser Menschen etwas zu zerstören droht, das sich erbittert zu wehren weiß …

Ein packender Familienroman um Täuschung, Schuld und die verzweifelte Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen.

Das Buch „Die verborgene Schwester“ von Cordula Hamann hat aufgrund seiner Thematik mein Interesse geweckt. Was geht wohl in einem vor, wenn man erfährt, dass die leiblichen Eltern als glückliche Familie zusammenleben, man selbst aber damals in einer Babyklappe gefunden wurde, lediglich mit einem kurzen Brief der Mutter. Die Protagonistin Marie muss diese Erfahrung durchleben und konfrontiert ihre leiblichen Eltern damit.
Wenn man das Buch beginnt, ist man gleich mittendrin in der Geschichte, was mich persönlich etwas irritiert hat, ein erklärender Prolog fehlt und man muss sich erst einmal zurechtfinden. Je tiefer man dann in die Handlung einsteigt desto klarer und verständlicher wird es und es folgt eine unterhaltsame und interessante Lektüre. Der Autorin gelingt es, mit überraschenden Wendungen den Leser bei Laune zu halten, auch wenn mir Einiges davon zu überzogen war, vor allem die Entwicklung von Alessia und ihre Aktionen, die mir in der Menge dann doch zu unglaubwürdig waren. Mit der Hauptprotagonistin Marie bin ich nicht warm geworden, leider auch nicht im Verlaufe der Geschichte. Ihr Denken, ihre Handlungen waren für mich teilweise absolut nicht nachvollziehbar. Ich möchte hier gar nicht so sehr in die Tiefe gehen um nicht zu viel von der Geschichte zu verraten. Es wurden stellenweise immer wieder Namen verwechselt, das hat doch den Lesefluss manchmal etwas gestört und war leicht irritierend.  Das Buch endet dann wie es angefangen hat, abrupt und ohne weitere Erklärungen, was ich sehr schade fand, weil mir irgendwie der Abschluss fehlte. Ein paar erklärende Sätze wie es der Familie mit ihrem Zusammenleben weiter ergangen ist, hätte ich schön gefunden.

„Die verborgene Schwester“ von Cordula Hamann ist ein unterhaltsamer aber auch erschütternder Familienroman über die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Konsequenzen, die das Kennenlernen der leiblichen Eltern mit sich bringen kann. Für mich hatte er jedoch einige Schwächen z.B. das Fehlen eines Pro- und Epilogs. Zudem Handlungen, die mir zu überzogen und daher nicht nachvollziehbar waren. Daher vergebe ich befriedigende drei Sterne und durchaus eine Leseempfehlung, denn das Thema an sich war wirklich sehr interessant.

Das Ebook kann hier bestellt werden:
https://www.books2read.de/buecher-entdecken/show/die-verborgene-schwester

Verlag: books2read (16. März 2016)
Ebook-Text, 254 Seiten


Der Keller von Minette Walters



Klappentext:

Munas Leben ist die Hölle. Und niemand kommt ihr zu Hilfe, denn keiner weiß, dass die Familie Songolis ihr Hausmädchen behandelt wie eine Sklavin. Dabei muss sie sich nicht nur Tag für Tag bis zur Erschöpfung um das Wohl der Songolis kümmern, sondern wird auch noch jede Nacht in einen dunklen, fensterlosen Keller gesperrt. Doch dann kehrt eines Tages der jüngste Sohn der Familie aus unerklärlichen Gründen nicht mehr nach Hause zurück. Damit die ermittelnden Polizeibeamten nichts von Munas Schicksal erfahren, darf sie ihren Keller verlassen. Und diese Chance nutzt sie auch. Denn Muna ist sehr viel klüger, als alle ahnen – und ihre Pläne sind sehr viel schockierender, als irgendjemand jemals vermuten würde ...


Endlich ist es da, das neueste Buch von Minette Walters auf das ich schon so lange gewartet habe. In ihrem Psychothriller „Der Keller“ erzählt die Autorin die Geschichte der kleinen Muna, die von der Familie Songoli als Sklavin gehalten, geschlagen und missbraucht wird. Ihr Zuhause, der dunkle, fensterlose Keller. Erst als der jüngste Sohn der Songolis verschwindet, wendet sich Munas Schicksal. Ich war von Beginn an gefesselt von der Story und vom klaren und schnörkellosen Schreibstil der Autorin, der mich auch schon in ihren anderen Büchern begeistert hat. Nach dem ersten Drittel war ich voller Zweifel, ob ich da tatsächlich einen Psychothriller in den Händen halte, doch liest man weiter erschließt sich einem dann recht bald, dass der Titel durchaus seine Berechtigung hat. Die Hauptprotagonistin Muna durchlebt im Laufe der Geschichte eine wirklich krasse Wandlung. Die erniedrigte, emotionslose und scheinbar zurückgebliebenen Sklavin zeigt auf einmal ihr wahres Gesicht, denn Muna ist schlau, gerissen und so gnadenlos, dass es einem die Gänsehaut über den Rücken jagt. Ich möchte hier gar nicht mehr verraten, man muss es einfach selbst lesen und erleben.

„Der Keller“ von Minette Walters ist trotz seiner geringen Seitenzahl ein intelligenter und absolut spannender Psychothriller, der seine Psychoelemente zuerst geschickt im Verborgenen hält. Aufgrund der teilweise geschilderten Brutalität ist das Buch sicher nichts für Zartbesaitete. Auch wenn man relativ schnell weiß in welche Richtung es gehen wird und es dadurch keine großen Überraschungen oder Wendungen gibt ist der Thriller gerade deshalb absolut gelungen und lesenswert!

Das Buch kann hier bestellt werden:

Verlag: Goldmann (18. April 3016)
Taschenbuch, 220 Seiten
ISBN: 978-442-48432-4


Freitag, 22. April 2016

Gestern war auch schon ein Tag von Finn-Ole Heinrich





Klappentext:
Susan fehlt ein Bein. Tom ist die Treppe runtergefallen. Und Henning lügt so lange, bis er die Wahrheit sagt. Finn-Ole Heinrich erzählt von Menschen, die ins Schwanken gekommen sind, die das Leben mit aller Härte umgeworfen hat. Und die nun wieder aufstehen müssen. Die Texte hinterlassen in ihrer Ehrlichkeit, sprachlichen Klarheit, ihrer Sensibilität und auch in ihrem Humor eine Faszination, die lange trägt. »Heinrichs Erzählweise hat etwas, was man wenigen jungen Schriftstellern heutzutage bescheinigen kann. Sie hat einen eigenen Ton.« Sebastian Reier, Die Zeit

Ich höre mich vor einiger Zeit noch sagen, dass ich grundsätzlich kein großer Freund von Kurzgeschichten bin. Doch neuerdings beobachte ich mich, wie ich hin und wieder doch nach solchen Büchern greife und auch bis jetzt noch nicht enttäuscht wurde. Das Buch „Gestern war auch schon ein Tag“ von Finn-Ole Heinrich beinhaltet acht Kurzgeschichten die mitten aus dem Leben gegriffen sind. Ohne Schnörkel, ehrlich, direkt und schonungslos lässt der Autor seine Leser am Leben und Denken seiner jeweiligen Protagonisten teilhaben. Es geht z.B. um eine junge Frau die ihr Bein verloren hat und es den Anschein macht, als hätte ihr Partner die größeren Probleme mit dem Verlust zurechtzukommen. Oder aber der Wochenend-Hooligan, der unter der Woche als liebender Vater und renommierter Rechtsanwalt lebt Über die einzelnen Geschichten möchte ich hier aber gar nicht zu viel verraten. Nicht jede der acht Geschichten konnte mich komplett überzeugen, manche waren mir zu kurz, manche zu lang, aber im Großen und Ganzen  haben mich alle auf ihre Art nachdenklich gemacht und sind mir teilweise wirklich unter die Haut gegangen. 

Die Kurzgeschichtensammlung „Gestern war auch schon ein Tag“ von Finn-Ole Heinrich handelt von Menschen, denen das Leben übel mitgespielt hat, die wieder zurückfinden müssen oder aber von jenen, die am Rande der Gesellschaft leben und denen das Leben nicht schenkt. Lesens- und empfehlenswert!

Das Buch kann hier bestellt werden:

Verlag: btb (11. Januar 2016)
Taschenbuch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-442-71318-9