Samstag, 5. September 2020

Die Tinktur des Todes von Ambrose Parry

Tödliche Experimente – Ein interessanter Medizinkrimi im Edinburgh des 19. Jahrhunderts

Edinburgh 1847. Der Medizinstudent Will Raven tritt seine neue Stelle als Famulus bei dem renommierten Geburtshelfer Dr. Simpson an. Kurz davor hat ihn der Tod einer ihm nahe stehenden jungen Frau schwer getroffen. Während seiner Arbeit bei Dr. Simpson, in dessen Haus auch immer wieder spektakuläre Experimente mit neu entdeckten Betäubungsmitteln stattfinden, begegnet er weiteren Todesfällen, alle Opfer sind auf ähnliche Weise gestorben, wie Wills Bekannte. Zusammen mit dem selbstbewussten Hausmädchen Sarah, die ein ganz eigenes Interesse an der Aufklärung der Morde hat, beginnt Will selbst Ermittlungen anzustellen. Diese führen die beiden in die widrigsten und dunkelsten Ecken Edinburghs…

Das interessant klingende Thema und der neugierig machende Klappentext waren es, die mich zum Lesen dieses Buches animiert haben. „Die Tinktur des Todes“ von Ambrose Parry, übrigens das Pseudonym für das in Schottland lebende Ehepaar Christopher Brookmyre und Marisa Haetzman, vereint spannende Kriminologie mit medizinischem Fachwissen in einem Edinburgh des 19. Jahrhunderts. Das Augenmerk liegt hier vor allem auf Geburtshilfe und Abtreibung, aber auch auf neuen Entdeckungen im Bereich der Betäubungsmittel. 

Anfangs viel es mir schwer, Zugang zur Story und ihren Figuren zu bekommen. Nur zaghaft und Schritt für Schritt kann Will Raven und seine Geschichte mich fesseln, sein hartnäckiges Bestreben, den Tod seiner Freundin und den der anderen Mädchen aufzuklären beeindrucken mich. 

"Ihr Körper ruhte ganz und gar nicht in Frieden, sondern er lag vollkommen verrenkt da, als quälte sie noch immer der Schmerz, der sie fortgetragen hatte, als hätte der Tod ihr keine Erlösung gebracht."

Doch nicht nur das, auch die Einblicke, die die Anwendung der frühen Medizin, vor allem was die Geburtshilfe und die ersten Einsätze von Betäubungsmitteln betrifft, sind interessant, trotz der oft schrecklichen und blutigen Details. Nicht immer kann Patienten geholfen werden und nicht selten sterben zur damaligen Zeit kranke Menschen einen qualvollen Tod, weil die medizinischen Erkenntnisse und Forschungen noch nicht ausgereift genug sind. Doch dank dem Einsatz von Äther – wohl dosiert versteht sich – erleichtert seine Anwendung so mancher Gebärenden die Schmerzen der Geburt. 

"Der Urfluch, erklärte er. Genesis. Unter Mühen sollst du Kinder gebären. Manche betrachten es als wider die Bibel, den Schmerz der Geburt zu lindern."

All dies geschieht in Edinburgh des 19. Jahrhunderts. Eine zweigeteilte Stadt, zum einen düster, gefährlich und zwielichtig, zum anderen voller Möglichkeiten, Wohlstand und Reichtum. Das Autorenduo versteht es, die Atmosphäre der Stadt lebhaft einzufangen und zu übermitteln. Überhaupt ist der Schreib- und Erzählstil bildhaft und abwechslungsreich, auch wenn sich die Autoren hin und wieder in allzu detailreichen Beschreibungen verlieren und somit auch immer wieder für kurze Zeit meine Aufmerksamkeit. 

Gelungene und authentische Protagonisten machen die Story zu einer runden Sache. Vor allem das Hausmädchen Sarah, die Will Raven bei der Aufklärung der mysteriösen Morde unterstützt, hat mich beeindruckt. Sie ist wissbegierig, stur und für ein Mädchen dieser Zeit sehr gebildet. Sie gibt sich mit der Rolle als Hausmädchen und Mensch zweiter Klasse nicht zufrieden, sie strebt nach Wissen und Unabhängigkeit und steht stellvertretend für den Kampf der Frauen nach Gleichberechtigung. 

Anschaulich erzählter, interessanter und in großen Teilen spannender und detailreicher Kriminalroman mit medizinischem Hintergrund und atmosphärischem Setting. Lesens- und empfehlenswert.

Weitere Meinungen zum Buch findet Ihr hier:

Nicoles Bücherwelt

KeJas Wortrausch

Tii & Ana´s kleine Bücherwelt

Buchtitel: Die Tinktur des Todes


Verlag: Pendo Verlag
Erscheinungsdatum: 31.08.2020
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Flexibler Einband
Umfang: 464 Seiten

 

2 Kommentare:

  1. Hallo Kerstin,
    ich durfte die "Tinktur" schon vor der Veröffentlichung lesen und war sehr angetan, fühlte mich sogar ausgesprochen gut unterhalten. Trotz der zahlreichen blutigen Szenen. Mittlerweile habe ich einige Rezensionen gelesen und kann auch die enthaltenen Kritikpunkte verstehen. Aber ich sehe - gerade an diesem Buch - wieder, wie unterschiedlich die Sichtweisen und Bewertungen sein können und wie wichtig abwägende Rezensionen sind. In diesem Sinne danke für deine Beurteilung.
    Liebe Grüße
    Jürgen

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    1. Hallo Jürgen,
      danke für Deinen Besuch! Ja, jeder hat andere Vorlieben und das ist auch gut so! ;-)
      Viele Grüße
      Kerstin

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