Freitag, 23. September 2022

Freiheitsgeld von Andreas Eschbach

Fiktion oder mögliches Zukunftsszenario? – Interessante und spannende Vision einer nicht allzu fernen Zukunft

Im Europa der Zukunft sind es Maschinen und Roboter, die einen Großteil der Arbeit erledigen und auch die Digitalisierung ist auf einem fortschrittlich hohen Stand. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sogenannte „Freiheitsgeld“ sorgt dafür, dass die Menschen grundabgesichert sind und jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann, egal ob er einem geregelten Job nachgeht oder nicht. Kurz vor dem Tag, an dem sich die Einführung des „Freiheitsgeldes“ zum 30. Mal jährt, wird dessen Erfinder und Politiker Robert Havelock tot aufgefunden. Zunächst wird von einem Selbstmord ausgegangen doch kurze Zeit später findet man auch die Leiche eines Journalisten, der einst zu Havelocks größten Gegenspielern gehörte. In die Ermittlungen der beiden mysteriösen Todesfälle ist auch der junge Polizist Ahmad Müller involviert, der sich bald übermächtigen Kräften gegenübersieht, die im Geheimen operieren und vor nichts zurückschrecken, um eine Aufklärung zu vereiteln…


„Freiheitsgeld“ ist mein erstes Buch von Andreas Eschbach. Seine interessanten Zukunftsvisionen und vermutlich gar nicht so abstrakten Ideen die er in eine spannende und kurzweilige Story gepackt hat, haben mir gut gefallen, mich beeindruckt und zum Nachdenken gebracht. Zudem rückt er ein durchaus aktuelles Thema in den Vordergrund, denn derzeit ist das sogenannte Bürgergeld, als Grundsicherung für arbeitssuchende und bedürftige Menschen in aller Munde. Eschbachs Fiktion ein reales Zukunftsszenario? Ich denke schon, denn die Impulse und Überlegungen, die der Autor hier einbringt, sind keineswegs abwegig und in großen Teilen fast schon beängstigen real.

"Der wichtigste Vorteil an eine Gated Community ist, wie schon der Name sagt, der damit verbundene Schutz..."

Wir schreiben das Jahr 2064, Roboter haben die den Großteil der Jobs übernommen und sind aus dem Leben der Menschen nicht mehr wegzudenken. Da durch das Freiheitsgeld die Grundsicherung der Bevölkerung gewährleistet ist, können die Menschen frei entscheiden, ob sie arbeiten möchten oder nicht. Diejenigen, die einer Tätigkeit nachgehen, finanzieren mit ihren deutlich erhöhten Steuerabgaben die „Freiheit“ ihrer Mitmenschen. Ein gesellschaftliche nicht unerhebliches Ungleichgewicht, das unter der Oberfläche der arbeitenden Bevölkerung kokelt wie ein Schwelbrand .Die in der Vergangenheit schlecht bezahlten Berufe, wie z.B. Handwerker, Ärzte und alles rund um den Pflegebereich sind lebensnotwendig und hoch bezahlt. Menschen, die diese Jobs bekleiden, haben viele Vorteile. Sie leben in sogenannten „Oasen“, in sich abgegrenzte und durch Sicherheitscodes gesicherte Lebensbereiche mit eigenen Einkaufsmöglichkeiten, Kinderbetreuung etc. 

"Wenn eines Tages alle Menschen nur noch vom Freiheitsgeld leben, braucht man unsere Jobs auch nicht mehr.... Dann müssen sich die Roboter gegenseitig programmieren und in dem Fall werden sie sich irgendwann die Frage stellen, wozu sie uns Menschen überhaupt noch brauchen."

Dieses Privileg wird besonders deutlich, wenn man ein Auge auf die Lebensgrundlagen in den Städten wirft. Die „normale“ Bevölkerung lebt zwar grundgesichert, aber einfach und bescheiden in dicht besiedelten Städten. Die Digitalisierung ist allgegenwärtig, die Menschen sind gläsern, Kameras überall, die Überwachung ist lückenlos. Jeder trägt von Geburt an einen sogenannten Pod, ähnlich wie ein Handy, auf dem alles gespeichert ist. Der Pod ist quasi DIE Identität seines jeweiligen Besitzers. Eine beklemmende Vorstellung, aber tatsächlich sind wir von diesem System gar nicht mehr weit entfernt.

Die Natur und ihre Bedeutung für die Menschheit und deren Überleben spielt eine wichtige Rolle in dieser fiktiven Zukunft, weshalb viele riesige Umweltzonen eingerichtet wurden, die die Zukunft aller Lebewesen sichern sollen. Niemand darf diese Naturoasen betreten, sie sollen vom Mensch unberührt und geschützt bleiben.

Zwischen all diesen wirklich eindrucksvoll dargestellten Szenarien findet sich zudem eine spannende und zum Thema passende Kriminalgeschichte. Der Politiker und Gründer des Freiheitsgeldes stirbt kurz vor dem 30. Jahrestag der Einführung dieser besonderen Grundsicherung. Die Zusammenhänge zwischen dessen Tod und der Mord an einem Journalisten werden den ermittelnden jungen Polizisten Ahmad Müller in seinen Grundfesten erschüttern und ihn vor eine sein Leben verändernde Entscheidung stellen.

Eschbach hat seine Protagonisten sorgfältig und mit Bedacht gewählt. Alle Gesellschaftsschichten sind vertreten, ganz unterschiedliche Charaktereigenschaften prägen die Figuren. Ihre Lebensgeschichten, Beweggründe, Gedanken und Handlungen werden interessant und anschaulich beleuchtet.

Eschbach lässt für mich am Ende zwar keine Fragen offen und lässt mir Platz für eigene Gedanken und Mutmaßungen und doch wirkt das Ende meines Erachtens ein bisschen gehetzt und fühlt sich im Gegensatz zum Rest der Story irgendwie „abgearbeitet“ an. 


Ein wirklich guter, interessanter und in sich stimmiger Roman, gesellschaftskritisch und mit teils beängstigend realen Zukunftsvisionen. Ein Buch, dass definitiv nachwirkt und beschäftigt. Leseempfehlung!
 
Weitere Meinungen zum Buch:
 


Buchtitel: Freiheitsgeld

Verlag: Lübbe
Erscheinungsdatum: 26.08.2022
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Gebundenes Buch
Umfang: 528 Seiten


3 Kommentare:

  1. Auf diese Art von Büchern stehe ich sehr;)

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    1. Danke für Deinen Besuch, vielleicht meldest Du Dich ja nochmal und lässt ein Stimmungsbild da, wenn Du es gelesen hast.

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  2. Huhu!

    Eine ganz tolle Rezension und ich freu mich, dass dich dein erster Eschbach so begeistern konnte! Ich finde seine Bücher alle toll und er hat viele, in denen es um gesellschaftskritische Themen geht. Dass er immer ein bisschen offen lässt um uns als Leser zu fordern und nachzudenken find ich super :)

    Witzig dass so viele das Ende als gehetzt empfinden, ich fand es super so. Oft wird es unnötig in die Länge gezogen :D

    Liebste Grüße, Aleshanee

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