Kein Entkommen – Überraschender aber auch überladener Psychothriller
Jules Tannberg arbeitet an diesem Samstagabend am Begleittelefon. Ein Telefonservice, der hauptsächlich von Frauen genutzt wird. Ein telefonischer Begleiter und dessen beruhigende Stimme begleiten die Anruferinnen sicher nach Hause. Im Notfall kann diese Person dann auch die Polizei verständigen. Ein sehr erleichterndes Gefühl. An diesem Abend erreicht Jules der Anruf von Klara. Sie fühlt sich verfolgt, hat furchtbare Angst, dass es der Mann sein könnte, der sie schon einmal überfallen hat. Der Mann, der mit Blut ihr Todesdatum an die Schlafzimmerwand geschrieben hat. Und der Countdown läuft, denn Klara bleiben noch knapp 2 Stunden…
Mein Vorsatz nach dem letzten Thriller von Sebastian Fitzek – Das Geschenk – war klar, jetzt ist erstmal wieder Fitzek-Pause. Doch irgendwie kommt man dann doch nicht an ihm vorbei. Dann lese ich doch die zahlreichen Rezensionen, bekomme von gleichgesinnten Leserinnen Empfehlungen dafür ausgesprochen, ich wiegle ab, überlege und bin hin- und hergerissen. Lange Rede kurzer Sinn, ich habe ihn dann doch gelesen, den „Heimweg“ und er hat mir gut gefallen, auch, weil Sebastian Fitzek einfach ein begnadeter Erzähler ist.
Wieder hat sich der Bestseller-Autor ein spannendes und interessantes Thema ausgesucht. Frauen, die von ihren Partnern regelmäßig verletzt, erniedrigt und vergewaltigt werden. Egal ob verbale Demütigungen oder körperliche Gewalt, die Opfer ertragen die Qualen unterwürfig und schaffen es selten bis gar nicht, ihre Peiniger zu verlassen. Aus Angst, Scham oder anderen Gründen. Für mich nur schwer nachvollziehbar, aber ich musste so eine Situation auch Gott sei Dank noch nie erleben. Die Frage stellt sich jedoch unumgänglich, was würde ich tun? Wie würde ich reagieren, würde ich meinen Partner verlassen können?
"Sie sind mit dem Begleittelefon verbunden. Wie kann ich Ihnen helfen? Die Antwort zerriss ihm beinahe das Trommelfell. Sie bestand aus einem einzigen entsetzlich verzweifelten Schrei."
In diesem Thriller ist Klara das Opfer und zusammen mit ihr durchlebe ich ihre Pein, ihre Angst, aber auch ihre Abgebrühtheit und Resignation.
Fitzek ist nicht zimperlich, wenn es um die Beschreibungen von Gewalt und Brutalität geht. Auch „Der Heimweg“ ist voll von perfiden, bösartigen und gewalttätigen Szenen. Für mich relativ gut zu ertragen, ich kann mir aber vorstellen, dass diese Beschreibungen für manch andere harter Tobak sind.
Ich persönlich finde, dass die älteren Werke vom Autor zwar weniger brutal waren, dafür aber subtiler und mit viel mehr unterschwelliger, perfider und psychologischer Hochspannung. Diesen Zeiten trauere ich in der Tat etwas nach.
Die aktuelle Geschichte konnte mich gut unterhalten und der geniale Erzählstil hat mich durch die Seiten getragen. Doch die Story war mal wieder sehr konstruiert, es passiert viel zu viel auf einmal. Die Aneinanderreihung von Drama und Katastrophe war mir zu übertrieben. Fitzek hat mich aber auch verwirrt, nicht nur negativ, denn das Ende war unerwartet und – zumindest für mich – eine unvorhersehbare Überraschung.
Dieses Begleittelefon ist übrigens nicht erfunden, das gibt es wirklich und ist wie ich finde eine tolle Sache.
Schon legendär, die etwas andere Danksagung des Sebastian Fitzek. Gern gelesen und immer gelungen!
„Der Heimweg“ war auf keinen Fall eine Enttäuschung, aber auch kein überdurchschnittlich gutes Leseabenteuer. Ein spannender und überraschender Thriller, der aber durch ein bisschen zu viel von allem überladen und konstruiert wirkt. Was das Buch auf jeden Fall ist, ist ein Pageturner, denn Fitzek kann einfach wunderbar fesselnd erzählen. Kein Lesehighlight aber ein guter und lesenswerter Thriller.
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