Fiktion oder erschreckende Wahrheit? – Ein spannender wie brisanter Polit-Thriller
Bei Recherchen stößt der Journalist Michael Engel auf Ungereimtheiten beim RAF-Attentat auf Generalbundesanwalt Buback. Wollte die RAF Buback damals tatsächlich ermorden oder hatte der Verfassungsschutz hier seine Finger im Spiel? Verfassungsschutzagentin Judith Gerson hat eine mögliche Antwort, denn der Generalbundesanwalt wollte die ausnahmslose Aufklärung zum Sturz von Willy Brandt und genau das war dem Verfassungsschutz ein Dorn im Auge. Engel und Gerson befinden sich nun auf lebensgefährlichem Terrain, denn sie finden heraus, dass Willy Brandts Ostpolitik kurz vor der offiziellen Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik stand. Diese Entwicklung stieß auf höchste Gegenwehr. In einer gemeinsamen Aktion der östlichen und westlichen Geheimdienste wurde Brandt durch den Spion Günter Guillaume zu Fall gebracht. Kommt die Wahrheit ans Licht, oder werden Gerson und Engel zum Schweigen gebracht? …
Stefan Schweizer beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Roten Armee Fraktion (RAF) und hat bereits einige Sachbücher über die terroristische Gruppierung, sowie u.a. den biografischen Roman „Die Akte Baader“ veröffentlicht. Den neuen Polit-Thriller „Mehr Demokratie wagen“ hat Schweizer zusammen mit dem ehemaligen RAF-Mitglied Christof Wackernagel geschrieben, was ich persönlich unheimlich spannend finde. Man darf davon ausgehen, dass Wackernagel sehr viel Insiderwissen in dieses Buch hat einfließen lassen. Ein intelligent und spannend geschriebener, informativer, gut recherchierter Thriller der nachdenklich zurücklässt.
"Das hatte er bis zum Umfallen geübt. Für diesen Augenblick. Der Triumph der Rache. Schüsse halten. Die Kugeln durchsiebten Kopf, Oberkörper und Rumpf. Der General sackte blutüberströmt auf seinem Sitz zusammen."
Der Wechsel zwischen den Handlungssträngen aus den 70er Jahren und der Gegenwart wird hier geschickt und spannend eingesetzt. Fast schon atemlos verfolge ich die Recherchen von Engel und Gerson mit und bin stellenweise fassungslos, wie perfide das Spiel von Verfassungsschutz und Geheimdiensten inszeniert wird. Vor allem der Blick hinter die Kulissen dieser Behörden, ihre teils undurchschaubaren und scheinbar eigenständigen, ohne politische Kontrolle durchgeführten Machenschaften, war mehr als interessant. Über der gesamten Story liegt etwas Bedrohliches, ein Gefühl, dem man sich nicht entziehen kann.
Die Autoren bewegen sich hier auf einem schmalen Grad zwischen Fiktion und Realität und ich frage mich während dem Lesen permanent, was ist wahr und was an der Story ist reine Spekulation? Die Vorstellung, dass an dem Szenario um die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback nur annährend ein Funken Wahrheit dahinter steckt, bereitet mir ein beklemmendes fast schon beängstigendes Bauchgefühl.
Obwohl mir die Rahmengeschichte um den Journalisten Michael Engel und Verfassungsschutzagentin Judith Gerson gut gefallen hat, weil sie spannend aufgebaut und gut erzählt ist, mit den beiden Figuren an sich konnte ich nicht richtig warm werden. Diese spielen meiner Meinung aber nur eine Nebenrolle, denn das Hauptaugenmerk liegt auf dem politischen Szenario und das war für mich sehr eingängig, hochinteressant und intelligent konstruiert.
Ein brisanter, niveauvoller und lesenswerter Polit-Thriller, dessen Szenario mich nachhaltig beschäftigt. Was ist Fiktion, was die Wahrheit?
Buchtitel: Mehr Demokratie wagen
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