Donnerstag, 28. Februar 2019

1793 von Niklas Natt och Dag

Düster, atmosphärisch und sehr spannend – ein großartiger historischer Krimi

Stockholm im Jahr 1793: Kinder entdecken in der stinkenden Stadtkloake ein seltsames Bündel. Der alarmierte Stadthäscher Jean Michael Cardell, genannt Mickel, zieht daraufhin die Überreste eines fast bis zur Unkenntlichkeit entstellten und verstümmelten Menschen aus dem schlammigen Gewässer. Der Jurist Cecil Winge, bei der Stockholmer Polizei zuständig für „besondere Verbrechen“, will diesen Fall unbedingt aufklären. Ohne Unterstützung der Behörde, den Tod vor Augen und angespornt vom Ruf der Gerechtigkeit, will der kranke Winge den Mörder um jeden Preis ausfindig machen. Hilfe bekommt er von dem einarmigen und traumatisierten Kriegsveteranen und Häscher Mickel Cardell. Zusammen finden sie heraus, dass das namenlose Opfer mit chirurgischer Präzision gefoltert und verstümmelt wurde. Eine von vielen grausamen Erkenntnissen, die die beiden bei ihren Ermittlungen erwartet. Auf der Suche nach dem Mörder waten die beiden nicht nur durch den Dreck einer stinkenden Stadt, sondern auch durch tiefen Morast menschlicher Abgründe…


Ein historischer Kriminalroman der in Schweden spielt. Ein bisschen skeptisch war ich – zugegebenermaßen. Denn skandinavische Krimis und ich, das will meistens nicht so recht klappen. Doch „1793“ hat mich wirklich neugierig gemacht. Das Buch des Schweden Niklas Natt och Dag, der als freier Journalist in Stockholm arbeitet, wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Schwedischen Krimipreis für das beste Spannungsdebüt. Absolut zu Recht, der Kriminalroman hat mich in seinen Bann und tief in eine düstere und spannungsvolle Geschichte gezogen, die mich fasziniert und gefesselt hat. 

Die ersten Seiten des Kriminalromans waren für mich erstmal alles andere als leichte Lektüre. Die Sprache, das Setting, Dinge, an die ich mich erstmal gewöhnen musste, zudem war mir nicht klar, wohin mich die Reise in dieser Story führen würde. Doch einmal angekommen im abgründigen Stockholm des 18. Jahrhunderts, war ich wie gebannt, konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Niklas Natt och Dag hat seinen Roman in vier Abschnitte unterteilt, die alle verschiedene Lebensgeschichten erzählen, deren roter Faden aber stets die Krimihandlung darstellt. Die Gräuel des schwedisch-russischen Krieges sind ebenso Thema wie die rechtlose Stellung der Frau in dieser Zeit. Auf der Suche nach dem Mörder wird der Leser unter anderem mit einem Bordell unvorstellbarer Abartigkeiten konfrontiert, mit grausamen menschlichen Abgründen und ebenso mit dem Leben in einem sogenannten Spinnhaus, eine Strafanstalt in der in der Regel Frauen ihr Dasein fristen, die bettelten, oder die man beschuldigte, sich zu prostituieren. Spinnen war die einzige Tätigkeit, die die inhaftierten Frauen dort verrichten mussten. 

Die Ausführungen des Autors sind unheimlich atmosphärisch, lebendig und vor allem detailliert ehrlich. Stockholm und seine Bürger werden hier keinesfalls blumig verkitscht dargestellt. Niklas Natt och Dag schildert vielmehr das wahre Leben im 18. Jahrhundert, eine düstere, chaotische Stadt, durchzogen von Dreck und stinkenden Abwässern, in der die Menschen tagtäglich ums Überleben kämpfen.

Besonders gut gefallen hat mir das außergewöhnliche und hervorstechende Ermittlerduo Cecil Winge und Jean Michael Cardell. Der eine von der Schwindsucht gezeichnet, voller Ehrgeiz und mit brillantem Geist, der andere ein invalider Kriegsveteran und Stadtknecht, der durch reichlich Alkoholkonsum versucht, sein Leben erträglicher zu machen. Trotz des Klassenunterschieds entsteht zwischen den beiden so etwas wie Freundschaft und trotz aller Widrigkeiten und Stolpersteine verfolgen sie konsequent die, vor allem für Winge, strapaziösen Ermittlungen. Gekonnt lässt der Autor zudem die jeweilige persönliche Geschichte der Protagonisten in die Story einfließen. 



„1793“ ist meiner Meinung nach viel mehr als nur ein historischer Kriminalroman, vielmehr spiegelt er auch die Gesellschaft und das Leben in einem Stockholm der damaligen Zeit wider. Ehrlich und detailliert, atmosphärisch und spannungsreich erzählt der Autor Niklas Natt och Dag eine vielschichtige Kriminalgeschichte, die mich fesseln und faszinieren und mit ihrem düsteren und stellenweise brutalen und grausamen Setting punkten konnte. Ungewöhnliche und gekonnt skizzierte Charaktere verleihen eine zusätzliche Würze. Eine großartige Story, für die ich eine absolute Leseempfehlung aussprechen kann. 



Buchtitel: 1793

Verlag: Piper
Erscheinungsdatum: 01.03.2019
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Flexibler Einband
Umfang: 496 Seiten

2 Kommentare:

  1. Hallo Kerstin,

    du bist ja flott. Ich habe das Buch erst kürzlich bei den Neuerscheinungen für März gesehen. Zugegeben, es klingt recht gut, was du hier beschreibst und das könnte mich reizen. Ich werde es mir mal merken. Grad das historische Setting Stockholm wäre schon mal interessant.

    Liebe Grüße,
    Nicole

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Nicole,

      bei Netgalley hab es das Buch schon vorab zu lesen, deshalb hier schon meine Rezension :-) Anfangs war ich verwirrt und fast schon enttäuscht, aber in seiner Ganzheit ist das Buch einfach genial - meiner Meinung nach auf jeden Fall!

      Viele Grüße und Danke für Deinen Besuch
      Kerstin

      Löschen

Achtung Datenschutz: Mit dem Versenden des Kommentars akzeptiere ich und erkläre mich einverstanden, dass meine Daten von Blogger gespeichert und weiterverarbeitet werden!