Wenn jemand stirbt, braucht man nicht lange auf sie zu warten: Maden, Käfer, Fliegen und was sonst noch alles so kreucht und fleucht, freuen sich über eine üppige Mahlzeit. Was die Mehrzahl der Menschen ekelt, ist für Marcus Schwarz jedoch hochspannend und gehört zu seiner täglichen Arbeit als forensischer Entomologe. Er kann z.B. mithilfe von Insekten den Todeszeitpunkt eines Menschen bestimmen, die verschiedenen Stadien der Entwicklung einzelner Insekten liefern hierbei wichtige Informationen. Oft gelingt es, mit seiner Expertise und seiner Funktion als Insektenforscher, spektakuläre Fälle aufzuklären…
Als Leserin von Krimis, Thrillern und True Crime, ist mir das Buch von Marcus Schwarz „Wenn Insekten über Leichen gehen“, gleich ins Auge gestochen. Der forensische Entomologe, der an der Rechtsmedizin in Leipzig arbeitet, unterstützt mit seinem Fachwissen deutschlandweit Polizei und Staatsanwaltschaften. Detailreich und informativ erzählt er unter anderem von einigen seiner spektakulärsten Fälle und bringt der interessierten Leserschaft die einzelnen Insektenarten und ihre Eigenschaften nahe.
Die Fälle, die Marcus Schwarz beschreibt, sind vielseitig und basieren nicht immer auf einem Gewaltverbrechen. Menschen sterben eines natürlichen Todes und dennoch muss in manchen Fällen der Todeszeitpunkt oder das Geschehen rekonstruiert werden. Da ist zum einen der Mann, der vermutlich an einem Herzinfarkt gestorben ist, dessen Ableben aber durch die Anonymität der heutigen Zeit nicht bemerkt wurde. Erst nachdem Maden aus dem Spalt unter seiner Türe hervorkriechen werden die Nachbarn aufmerksam. Oder die Leiche, die Kinder an einem See finden. Mord oder Selbstmord? Marcus Schwarz kann mithilfe seiner kriechenden und schwirrenden Helfer Hinweise geben, denn oft ist ein genauer Todeszeitpunkt entscheidend.
"Was die Kollegen der Polizeistreifen nach so einem Anruf mitunter vorfinden, ist manchmal schwer zu verkraften, was häufig an der Beengtheit von Wohnungen liegt. In der Natur verteilen sich Fliegenmaden in alle Himmelsrichtungen, wenn sie einen Leichnam verlassen, um sich zu verstecken und in Ruhe zu verpuppen. Die geschlüpften, ausgewachsenen Tiere können sich hinterher frei bewegen. Das funktioniert in einer Wohnung natürlich nicht. Fliegen, die durch den Geruch angelockt in die Wohnung gelangen, finden nicht wieder heraus."
Menschen, die einen schwachen Magen und ein zartes Nervenkostüm, dazu aber eine intensive bildliche Vorstellungskraft besitzen, sollten dieses Buch vielleicht nicht zur Hand nehmen. Manche beschriebenen Szenen sind wirklich eklig, für mich aber auch unglaublich faszinierend und spannend. Kann man seinen Ekel ausblenden, erfährt man interessante Fakten über unsere Insekten und die Art und Weise wie und warum sie Leichen besiedeln.
Für mich waren die allzu detailreichen Beschreibungen und Bestimmungen der einzelnen Arten und Gattungen etwas zu trocken und langatmig und sehr wissenschaftlich und sachlich gehalten. Allerdings hat man es natürlich auch mit einem Sachbuch zu tun und hält keinen Thriller oder Krimi in den Händen.
Marcus Schwarz bietet interessante, lehrreiche und - auch trotz zahlreicher beschriebener Enkelfaktoren - faszinierende Einblicke in die Arbeit eines forensischen Entomologen. Informative und lesenswerte Lektüre. Automatisch fragt man sich zukünftig beim Anblick einer grün-schillernden Fliege, auf welcher Leiche sie vor Kurzem wohl gesessen haben mag.
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