Samstag, 3. Juli 2021

Einer von uns: Die Geschichte eines Massenmörders von Åsne Seierstad

Die Terroranschläge von Oslo und Utøya– Eine schier unerträgliche, aber würdige und messerscharfe Analyse

Am 22. Juli 2011 verübt Anders Behring Breivik die Terroranschläge in Oslo und auf der Insel Utøya. Insgesamt kommen 77 Menschen ums Leben. 69 davon Jugendliche, Teilnehmer eines Zeltlagers der Jugendorganisation AUF. Breivik wird noch am selben Tag festgenommen und gesteht in vollem Umfang. Terrorismus und mehrfache vorsätzliche Tötung, so lautet die Anklage. Anders Behring Breivik wird am 24. August 2012 zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverfahrung verurteilt, doch das Trauma, das Leid und der Schmerz wird die Überlebenden und Hinterbliebenen der Opfer ein Leben lang begleiten…

Ich glaube, noch nie ist mir eine Rezension so schwer gefallen wir zu diesem Buch, das ich schon vor Wochen gelesen habe und das mich bewegt und aufgewühlt hat und das nachwirkt wie kein anderes Buch aus der Rubrik True Crime. „Einer von uns: Die Geschichte eines Massenmörders“ von Åsne Seierstad ist harte Kost, das Geschriebene unfassbar und nur schwer zu ertragen. Ich habe diese zu Recht preisgekrönte und detailliert recherchierte Reportage dennoch nicht als voyeuristisch oder effekthascherisch empfunden, sondern als Appell gegen Hass und Intoleranz die unsere Gesellschaft zu vergiften drohen und als Wertschätzung für die Opfer, Überlebenden und Hinterbliebenen.

"Sie hatte es gesehen. Sie hatte gesehen, wie er geschossen hatte und ein Junge niedergesunken war. "Wir werden nicht sterben", hatte sie zu ihrer Freundin gesagt. "Nicht heute"."

Gleich zu Beginn schildert Seierstad Auszüge des Blutbads auf Utøya und ich frage mich schon jetzt, ob ich weiterlesen, ob ich das emotional tatsächlich bis zum Ende durchstehen kann. 

Doch erstmal wird Breiviks Leben intensiv beleuchtet, seine Kindheit und Jugend, frühe psychologische Auffälligkeiten, sein Streben zu gefallen, dazuzugehören und Anerkennung zu erfahren sind allgegenwärtig und doch muss er Zurückweisung und Ablehnung erfahren. Ich komme nicht umhin, Mitleid für Breivik zu empfinden und frage mich, ob ich solche Gefühle zulassen darf, nachdem ich doch weiß, zu was er als Erwachsener fähig ist, nämlich zwei Terroranschläge akribisch zu planen, diese eiskalt und erbarmungslos umzusetzen. Morde, die er bis heute nicht bereut. Doch denke ich zu klein, zu emotional? Macht man es sich nicht zu leicht, jemanden für seine schrecklichen Taten zu verurteilen, zu denunzieren? Mörder werden nun mal nicht als solche geboren.

Es folgen die Biografien einiger der Opfer, junge Menschen mit ambitionierten und bewundernswerten Zielen, mit kleinen und großen Wünschen und ganz alltäglichen Problemen. Wenn Åsne Seierstad nach etwas mehr als der Hälfte des Buches auf die Insel Utøya zurückkehrt, dann kenne ich einige Namen derjenigen, die panisch flüchten, sich vor dem Attentäter zu verstecken versuchen, auf einer Insel, die dafür viel zu klein zu sein scheint. Ich kenne die Wünsche und Ziele derjenigen, die Anders Behring Breivik kaltblütig erschießt… und ich weine um jeden Einzelnen von ihnen…

Es ist immer schwer, die richtigen Worte zu finden und ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, doch dieses Buch von Åsne Seierstad ist etwas Besonderes, es beschreibt nicht nur die Geschichte eines Massenmörders, sein Leben und seine Taten, sondern erzählt intensiv und ausführlich und auf beeindruckende Weise auch die Geschichten der Opfer. Ein großartiges Buch, dass dazu beiträgt, dass dieser schreckliche Terroranschlag und seine Opfer nie vergessen werden. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich an diese nur schwer zu ertragende Lektüre wagen wollen.


Verlag: Kein & Aber
Erscheinungsdatum: 28.04.2016
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Fester Einband
Umfang: 544 Seiten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Achtung Datenschutz: Mit dem Versenden des Kommentars akzeptiere ich und erkläre mich einverstanden, dass meine Daten von Blogger gespeichert und weiterverarbeitet werden!